Der Kandidat, um den es heute geht, mag es extralang und gern auch mal schmutzig. Christoph Strasser ist in Ultra-Langstrecken-Kreisen als sechsmaliger Gewinner des „Race across America“ schlichtweg die Ikone. Weil immer nur quer durch Amerika fahren und das RAAM dauernd gewinnen irgendwann langweilig wird, hat er sich kürzlich mal daran versucht, wie weit man kommt, wenn man 24 Stunden einfach mal das Gas stehen lässt. Spoiler: Wenn man Strasser heißt, recht weit. Kennengelernt haben wir uns 2019 im Festzelt beim „King of the Lake“ am Attersee. Er saß da mit seiner Posse, die immer dabei ist und wir kamen übers Bier ins Gespräch. Im radsportlichen Österreich war er schon damals sowas wie ein Volksheld, ich konnte ehrlich gesagt bis dahin wenig mit Leuten anfangen, die tagelang auf dem Rad sitzen ohne umzufallen – mir sind ja schon die 180 Kilometer bei der Staffel in Roth jedes Mal zu viel. Und die beiden 300er vom letzten Jahr von Berlin nach Hamburg und Hamburg nach Berlin muss ich jetzt auch nicht jedes Jahr haben. "Racing" ist bei mir eben immer eher kurz und knackig. Auf die Stunde um den Attersee war er dann auch recht kompetitiv unterwegs und nur einen Platz hinter mir gelandet, vermutlich schon unter Anschlag. Als er mir erzählte, was er so an Watt gefahren war, da musste ich mir kurz auf die Zunge beißen um nicht zu lachen. Entweder war das ein Witz, sein Powermeter war kaputt oder sagen wir mal, da saß jede Menge Potenzial brach auf der Bierbank. Wir haben dann noch über das Monsterzeitfahren in Almere gesprochen, das kurz darauf auch noch war und ich meinte, er solle da mal hin- und mitfahren. Ich war für den Rest das Jahres eh auf und raus. Die 137 Kilometer hat er dann auch prompt gewonnen, bei wie man hörte ganz ganz miserablen Bedingungen. Hier geht es noch zur Nachlese aus des Siegers Sicht samt Leistungsdaten. Getoppt hat das ein Jahr später dann noch Kollege Boris Stein, allerdings bei Trockenheit. Das Witzige beim Strasser: Er hat die vierte Runde, auf der normale Menschen immer eingehen, auch wenn sie eigentlich lang können und dann gewinnen, so richtig aufgedreht und die statt den gemittelten (NP) 335 Watt mit 342 Watt gefahren. Ultrafahrer eben. Quasi so: „Oh, schon 100 Kilometer um? Dann ziehe ich jetzt mal die Weste aus und fahre los.“ Wie man sieht, kam der Wind bei der Siegerehrung immer noch von scharf links. Da ist dann auch irgendwo die Nordsee. Danach haben wir dann immer mal wieder gemailt und telefoniert und irgendwann Anfang diesen Jahres kam er dann plötzlich mit einer größeren Bestellung bei mir im Shop raus. Jede Menge gewachste Ketten, große Mono-Blätter und anderen Kleinkram, für sein diesjähriges Projekt: Wie weit kommt man wohl in 24 Stunden? Dazu haben wir dann ganz viele kleine und große in erster Linie materialtechnische Details bekakelt und als Konsequenz habe ich dann auch noch ein paar Lager gepimpt und auf links gedreht, sprich das Fett da raus und was von Dry Fluid aus Berlin reingebracht. Bringt nicht die Welt, aber ein kleines bisschen eben doch. Und aufsummiert, vor allem im Kopf und wenn es unterwegs zäh wird, bringen diese Marginal Gains immer nochmal doppelt so viel, versprochen. Ein bisschen Abwägen und Überzeugungsarbeit war da immer mal dabei, so in die Richtung „das bringt was“, „das bringt ein bisschen mehr“ und „das kannst du dir sparen, wenn es regnet“. Dass es in 24 Stunden in Mitteleuropa mal nass wird war ja wahrscheinlich. Nebenbei: Interessanterweise hat die gewachste Kette das Ganze ohne Mucken mit gemacht, die war nachher immer noch sauber und lief rund. So einen Extremtest kannte ich bisher noch nicht, ist aber gut zu wissen. Und das 58er Blatt mit den richtigen Ritzeln kombiniert kann man dann auch 24 Stunden auf Schwung halten. Sein eigentlicher Plan war, Anfang September in Colorado in der Höhe auf einem Oval für Autorennen die 1.000-Kilometer-Marke zu knacken. Generalprobe war jetzt vor ein paar Tagen in Österreich auf einem Militärflugplatz. Dafür ging neulich nochmal extra ein Karton Tuningkram auf die Reise Richtung Süden. Die Wettervorhersage war eher so lala und so richtig warm war es da dann auch nicht. Bei stabilen 15 Grad hat es dann auch noch neun von den 24 Stunden geregnet. Alles also eher so suboptimal aber offenbar Strasser-Wetter. Ich war ein paarmal per Livestream dabei und einer seiner Fans schrieb mir dann noch per Mail, dass der Strasser doch viel zu schnell anfahren würde. Naja, Pacing wird der wohl können habe ich mir gedacht und mich dann um mein eigenes Training gekümmert (das läuft übrigens wieder). So, und das Ergebnis sieht jetzt so aus, dass Herr Strasser nach einem Tag nicht nur mal wieder Hände und Füße wie eine Waschfrau hatte, sondern mit grandiosen 1.026 Kilometern den neuen Weltrekord im Sack. Wie gesagt, bei eher widrigen Bedingungen, bei einem Termin, der nur Generalprobe sein sollte, mit rutschigen Kurven und eben nicht auf 2.000 Metern Höhe. Das Ganze rollte einfach so gut und die ganzen kleinen und großen Rädchen griffen so gut ineinander, dass er mit grob 270 Watt so weit kam, wie er es selbst nie gedacht hätte. Beim Thema Material- und Aero-Optimierung kann man da nur sagen: Wer nicht hören will, der muss eben fühlen, auch mal im positiven Sinne. Glückwunsch an dieser Stelle aus Hamburg in willkommen im Club der Marginal Gainer. Schonmal merken: Mehr geht hier immer! Ein bisschen ein Ei gelegt habe ich mir damit jetzt aber selbst. Weil er den Versuch in den USA vermutlich gar nicht mehr in Angriff nehmen wird, kommt er gut ausgeruht zum diesjährigen KOTL und fährt da mir und allen anderen Heißdüsen munter um die Ohren. Aber so ist halt das Leben. Ich schlage vor, dafür zahlt er dann einfach mal das Bier nach dem Rennen. Nicht nur für seine Jungs, sondern für alle, die hinter ihm landen, oder? Wer mehr zum Strasser lesen will, der wird hier fündig: https://www.christophstrasser.at/ https://www.facebook.com/christophstrasser.at https://www.instagram.com/straps_377/ Grandioser Film, speziell für das Rollentraining. Achtung: bis auf den Trailer hardcore steierische Mundart! https://fb.watch/v/35ND9NrKl/ Und wer jetzt immer noch zaudert und meint, dass Kettenwachsen, Mono-Blätter und das ganze Tuning von Kleinkram nichts bringt, dem kann ich auch nicht mehr helfen. Das ist mir mittlerweile aber auch latte. Die Bilder stammen von Lex Karelly, Sportograf und Manuel Hausdorfer, danke dafür in die Alpenrepublik!
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Hier geht es um Sport an der frischen Luft! Dabei ist mindestens ein Fahrrad involviert und manchmal geht auch was kaputt. Sei es an Mann oder Maschine.
Da ich im Norden lebe, ist es zehn Monate im Jahr kalt und nass . Die Radfahrerbräune bleibt dabei auf der Strecke. Dafür klebt der Dreck überall und die Rotze gern mal quer. Was mir dabei durch den Kopf geht oder auf der Strecke bleibt, findet ihr hier bei mir im Blog #fratzengeballer. Also, welcome to the real world! Der Baranski Archiv
September 2024
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