Am Samstag ging es noch einmal unter Wettkampfbedingungen aufs Rad. Das Zeitfahren vom Audax Club Schleswig Holstein ist ein spezielles, es geht traditionell von Hamburg nach Berlin. Das sind immer so ab 270 Kilometer Länge aufwärts. Variabel, weil man sich die Strecke weitestgehend selbst aussuchen kann, nur Start, Ziel und zwei Elbquerungen sind fix. Das kann, muss man aber nicht auf mehrere Schultern verteilen, mit bis zu fünf Leuten je Team. Vor ein paar Jahren habe ich das schonmal mit zwei Brennern per Zeitfahrrad gemacht, dieses Jahr ging das nach etwas Hin und Her dann wieder als Team, allerdings per klassischem Rennrad (das ist ein Rad ohne Aerolenker) Richtung Osten. Traditionell ist dabei auch der Termin, der immer ganz bewusst nicht im Sommer bei gutem Wetter ist, weil dann zu viele Leute mitmachen wollen. Im Nachhinein haben wir Glück gehabt und den einzigen Tag erwischt, an dem es nicht tierisch gepisst hat. Dafür gab es eine Sturmflutwarnung und damit zusammenhängend auch prima Westwind, was bei der Fahrtrichtung nett ist. Jetzt kann ich es ja auch zugeben, die Tage vor dem Rennen hing ich so oft wie sonst nie dieses Jahr in der Wetter-App (mein Tipp: Bayers Agrarwetter) und dass wir starten würden, stand final erst am Freitag gegen Mittag fest. Wir, das waren neben mir noch mein Kollege Lars, Erwin, Frank und auf den letzten Drücker noch Marc aus Buchholz. Traurig aber wahr, auch hier scheint das Meldeverhalten nicht mehr das von vor Corona zu sein und man konnte sich noch Tage nach dem Meldebeginn da eintragen, statt morgens um sechs Uhr vorm PC hocken zu müssen für einen Startplatz. Weil das neulich so gut ankam mit dem Monsterzeitfahren in Almere, hier wieder als How-To, wie man ein Mannschaftszeitfahren am besten angeht – und was dabei eventuell keine gute Idee ist. Vorab zur Beruhigung: Angekommen sind wir alle, als Zielzeit stehen wir mit 7:46 in der Ergebnisliste, und die Mitreiter, die nur die Zeit in Bewegung gestoppt haben, kamen für die 274 Kilometer auf 7:05 Stunden, was einem knappen 39er Schnitt entspricht. Den Schiebewind hatte ich schon erwähnt, oder? Die Differenz resultiert aus Stand- und Pinkelzeiten, einem Platten, einer Einkehr bei Aldi, ein paar Wenden, weil es Diskussionen um die Strecke gab und ein Gurkenwasser-Tasting von Erwin. Also, here we go, das How-To Mannschaftszeitfahren: 1. Taktik Wir hatten uns im Vorfeld vorgenommen, es erstmal mit Fünf-Minuten-Führungen irgendwo bei groben 300 Watt zu fahren, die machbar klangen, nicht groß was kaputt machten und die jeder erstmal treten konnte. Modifizieren kann man das immer noch in Dauer, Höhe und Rotation und wer gerade nicht oder nicht mehr kann, der setzt halt aus. So der Plan. Da immer deutlich drüber zu fahren, auch noch wenn nicht in Führung liegend, sondern nur beim Dranbleiben in der Fünferreihe ist keine gute Idee. Damit kegelt man sich nämlich ins Off, Rückenwind hin oder her. 2. Verpflegung Das A und O bei so langen Sachen und speziell bei mir mit meinem Mimimi-Magen immer der Knackpunkt ist das Nachtanken. Dieses Jahr wollte ich es wissen und habe mich knallhart dran gehalten, pro Stunde eine große 0,75er Flasche mit 80 Gramm Kohlenhydraten zu trinken. Konkret wieder was von Maurten mit Pektin drin und nach Almere mit drei Stunden und Anschlag muss ich sagen, dass das auch auf so überlangen Sachen prima funzt. In der Summe waren das acht Flaschen mit 640 Gramm, und damit man mal sieht wie viel das als Portion ist, habe ich das mal nachgebaut. Einen kleinen Ausrutscher hatte ich an der Verpflegung in Dömitz dann noch Richtung fester Nahrung. Weil alle was kauten, gab es einen kleinen Riegel. Prompt ging das Gewürge wieder los. Der Clou für mich an Maurten ist offenbar wirklich diese sämige Konsistenz, die meinen Magen ruhig hält. Zum Schluss gab es übrigens die Mische mit Koffein. Weil man unterwegs über weite Strecken keine Tanken findet, sind wir irgendwann an einem Aldi in Brandenburg gelandet. Der war Samstagmittag beinahe leer und als wir fertig waren, da waren Cola und Red Bull auch alle beziehungsweise bei und an Bord. 3. Streckenplan Erwin hatte noch den GPS-Track vom letzten Jahr, der mit 275 Kilometern recht kurz war und den wir einfach nochmal fuhren, inklusive weiter Strecken über die B5, die ewig lange geradeaus führte und tatsächlich auch recht leer war. Zwischendrin gab es sogar noch neuen Asphalt, sodass wir über ein frisch gemähtes Maisfeld durch den Matsch stiefeln mussten. Merke, gut ist immer, wenn alle den gleichen Track haben. Sonst ruft immer einer, man sei falsch und die vier mit dem Track auf dem Computer gucken sich doof an. 4. Gruppendynamik Bei Paar- und Mannschaftszeitfahren habe ich schon viel erlebt. Leute, die sich nicht warmfahren und dann beim Start rausplatzen. Fahrer, die sich vorne in der Führung im Wind aufsetzen, um erstmal genüsslich was zu trinken. Pissnelken, die bei Nieselregen wieder abreisen und solche, die sich über das/mein Gebrüll unterwegs aufregen. Auch immer gut sind Schwächere, die sich und dem Team das nicht eingestehen. Oder die dann, wenn man sie gerade wieder rangefahren hat, mit ordentlich Schwung und der Brechstange ein letztes Mal nach vorne in die Führung gehen und die Relaisstation, die sie eben noch gerettet hat, hinten verrecken lassen. Kein Witz, alles schon gehabt. Was auch doof ist: Wenn einer beweisen will, dass er heute die dicksten Eier hat und alle anderen potenziell breit fahren könnte. Das geht besonders gut, wenn man vorn einen Aeroaufsatz am Lenker hat, die anderen aber alle nicht. Damit muss man nämlich viel weniger Watt fahren, das habe ich auch schonmal irgendwo gehört. Konkret ging das dieses Jahr alles schon im Wendland im ersten Drittel der Tour los, die Löcher rissen immer und immer wieder, vor allem an Steigungen. Weil man bei 40 km/h + samt Sturm sonst nichts hört, wurde das immer lautstark kommentiert. Primär wieder, genau, von mir. Gut hingehen ist, wenn sich die Mannschaft an den Schwächeren orientiert, die man ja auch irgendwie ins Ziel bringen muss. Bei uns waren das ab der frühen Mitte zwei Kandidaten, die übel gelitten haben, weil sie keinen guten Tag hatten – aber trotzdem ganz fantastisch dabei aussahen. Gut ist auch, wenn da einer dabei ist, der von klein auf verinnerlicht hat, was es bedeutet, wenn alle in einem Boot sitzen. Und der laut Coach von früher nicht nur schnurgerade an der Papierkante entlang rudern kann mit einem vorgegebenen Wert, sondern der das auch aufs Rad transferiert bekommt. Wir haben dann wie geplant einfach nur noch 280-290 Watt angepeilt, um es denen hinten erträglicher zu machen und eben länger geführt. Kollege Wichert war es dann auch, der uns den Track entlang durch die Berliner Peripherie lotste, inklusive über den original künstlichen Marktplatz vom Outlet-Center kurz vor Berlin. Direkt am Five Guys Burgerladen vorbei meldete sich mein Magen dann auch nochmal ganz kurz, allerdings nicht Richtung „will haben!“. Durch ihn weiß ich jetzt endlich auch, dass das keine verfallenen russischen Kasernen sind, wenn man von Westen nach Berlin reinfährt, sondern das völlig verfallene Olympische Dorf von 1936. Irgendwas mit Olympia hat er ja auch mal gemacht. Und wo der kleine Lars das Rudern begonnen hat, weiß ich jetzt auch, nämlich direkt neben dem Wassersportheim in Gatow, wo das Spektakel Hamburg-Berlin jedes Jahr an der Havel und für viele auch bei Grillwurst, Eintopf und Bier endet. Nach dem Duschen und für mich nur einem Kakao ging es zurück auf die Autobahn Richtung Heimat. Danke an dieser Stelle mal wieder ein meinen alten Kumpel Jan Hein Mück Lachmann, der unseretwegen Samstag extra früh hoch ist, um die Karre erst nach Dömitz und dann nach Berlin zu fahren. Dafür gibt es bald noch ein paar Bier.
Und das war sie jetzt auch wieder, meine Rennsaison 2023. In der Summe war das schon meine 41.. Vielleicht gibt es bald nochmal eine Zusammenfassung, auch weil es schon lange keine Wettkampfsaison gab, mit der ich so unzufrieden war und bei der so viel schiefgelaufen ist wie dieses Jahr. Mit diesem Cross kann man mich ja nach wie vor jagen und ich mache jetzt erstmal ein paar Tage wenig bis nichts mit dem Rad. Kommt gut über den Winter! |
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Da ich im Norden lebe, ist es zehn Monate im Jahr kalt und nass . Die Radfahrerbräune bleibt dabei auf der Strecke. Dafür klebt der Dreck überall und die Rotze gern mal quer. Was mir dabei durch den Kopf geht oder auf der Strecke bleibt, findet ihr hier bei mir im Blog #fratzengeballer. Also, welcome to the real world! Der Baranski Archiv
September 2024
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