Am Sonntag war wieder das Zeitfahren, das in den allermeisten Fällen den Abgalopp meiner Saison ist, das Monsterzeitfahren in Almere bei Amsterdam. Vorab: Ich bin ein Fan von Schnapsideen. Vermutlich auch deshalb fand ich das vor sieben Jahren total reizvoll, für ein mit damals 120 Kilometern eher überlanges Zeitfahren in die Niederlande zu fahren. Die Idee kam von Oli Bergmann, der da häufiger schon am Start war und nun leider gar nicht mehr unter uns ist. Inzwischen ist das MTR, wie es die Locals nennen, noch etwas länger mit 137 Kilometern. Und ich in meiner bescheidenen Art war da fünfmal am Start und nur einmal nicht auf dem Podium. Geboren wurde die Idee Ende der 80er Jahre aus dem Studierendenmillieu in Almere und so ganz nüchtern war da vermutlich in dem Moment niemand. Normal geht ein Zeitfahren 20, 30 oder von mir aus 50 Kilometer, aber so etwas langes gibt es abgesehen von Staffeln bei Triathlon-Langdistanzen nirgends. Roth mit seinen 180 war lange Jahre ein Fixpunkt in meiner Saison, dieses Jahr habe ich das bewusst mal ausgelassen, sodass Sonntag der mit Abstand längste Ritt auf Tempo werden würde. Zumindest bisher in diesem Jahr. Bevor ich mich jetzt wieder mit diversen Details aufhalte, hier jetzt der ultimative Guide, wie man auf 137 Kilometer ganz knapp am 45er Schnitt vorbeischrammt und das Ding gewinnt. So wie ich dieses Jahr. 1. Carboloading ab Donnerstag. Der Tipp kam vom Strasser und mein Kollege Wechsel feuert ja seine Haribo- und Cola-Orgien ja auch vor jeder Langdistanz. Mein Fazit: Ich kann das so nicht, mir wird von zu viel Essen einfach schlecht und nach einem Liter Mischmasch habe ich Bauschmerzen. Geholfen hat am Abend vorher auf jeden Fall mal wieder das geile Bami vom Takeaway von Surinamesen, von denen es in Almere offenbar massig gibt. Schade, dass es davon in Hamburg keine gibt. 2. Anreise, Streckencheck und Vorbelastung am Tag vorher. Nach Almere fahre ich locker vier Stunden aufwärts, am Rennmorgen ist mir das zu viel. Zudem ist eine Runde ja auch knapp 35 Kilometer und die noch vorm Rennen wären dann wieder zu lang. Laufen kann ich nachher schon so nicht mehr. Die Vorbelastung sieht bei mir meist so aus, egal wie lang das TT dann ist: zweimal drei Minuten Rennleistung und ein paar kurze Antritte. Mehr nicht. Danach: Weiter Carboloading mit Kakao und fester Nahrung. 3. Rennverpflegung vorbereiten. Das mache ich in aller Ruhe im Hotel und wie immer unter Volllast geht das bei mir nur flüssig. Niemand kann bei Bauchatmung auch noch kauen und dann die Menge an Carbs aufnehmen, die er/sie dann braucht. Vier Bananen pro Stunde? No way. Vier Gels oder das Äquivalent? Kein Problem. Meine Wahl fiel nach ein paar Tests dieses Mal auf Pulver von Maurten. Schmeckt immer noch wie eingeschlafene Füße, aber wirkt – und bei mir oft der Knackpunkt: Es bleibt auch drin. Wer immer damals dieses Gel mit der Geschmacksrichtung „Grüner Apfel“ erfunden hat, hat das ganz sicher nicht beim Sport probiert. Doof an Maurten: Es ist sauteuer und produziert zu viel Müll. Eine Aeroflasche mit 500 ml ist immer ein Sachet mehr in der Tonne. Dieses Jahr bin ich übrigens zum ersten Mal ohne Tanksystem am Rad gefahren, sondern habe mir jede Runde eine Aeroflasche anreichen lassen. Das klappt in der Kurve vor der Zielgerade echt gut, weil die entsprechend der Nummer am Helm vorsortiert sind. Sorry an dieser Stelle fürs Motzen bei Übergabe Nummer eins, die mir zu lange dauert. Bedankt! 4. Eine grobe Strategie im Kopf haben, bei der bleiben und die spezielle in Runde vier beibehalten. Bei mir sah das so aus: Almere ist eine Highspeed-Strecke, weil es nur vier 90-Grad-Kurven auf 35 Kilometer gibt. Vor denen wurde kurz rollen gelassen und getrunken (und zwar nur da). Der Wind war böse und wird dort zum Ende immer stärker. 45 km/h waren angesagt und die kamen so, dass zwei Geraden davon profitierten und zwei so richtig gar nicht, sprich da musste man etwas mehr drücken, um von der Stelle zu kommen. Auf den Highspeedabschnitten galt es dann den Kopf so tief wie möglich zu halten und es etwas sachter anzugehen und speziell die Oberschenkel etwas zu schonen. Schlimm wurde es dann jedes Mal, wenn es nach 90 Grad voll in den Wind ging. 5. Bei dir selbst sein und drauf einstellen, dass es einsam und eklig wird. In Almere ist nichts. Keine Zuschauer, keine Stimmungsnester, so gut wie kein Verkehr und auch kaum Konkurrenten vor dir. Der Abstand sind beim Start immer zwei Minuten und als Konsequenz sieht man bis auf die letzte Runde kaum jemanden. In Runde Vier kippt das dann, weil alle eingehen. Inklusive mir, aber ich lasse mir das nicht mehr so anmerken wie früher. Wenn dann mal wer an der Strecke steht, etwa der Fotograf Bauke, von dem hier die meisten Bilder stammen, dann bitte immer auf extra-aero machen, damit du über den Winter geile Bilder zum Zeigen hast und nicht vergessen, ihm eine Spende per Paypal schicken! Und wenn dann jemand filmt und du noch genug Luft hast, darf es auch gern etwas mehr Blödsinn sein. Danke an dieser Stelle an Anita. 6. Hier sterben alle zum Ende raus, primär mental und weil alles wehtut, eben nicht nur das Laktat. Alle außer diesem Christoph aus Graz, der in Runde Vier dann immer denkt, sein Race Across America geht jetzt endlich los und aufdreht. Von daher war mir schon klar, dass es einen Drop von der ersten auf die zweite Hälfte geben würde und der schlimmste Part die letzte halbe Runde werden würde, weil die voll im Wind stand. Da ist aus meiner Sicht dann der Glaube, dass es eben doch was bringt, tief und eng zu bleiben, auch wenn man denkt, man zieht gleich die Parkmarke, viel entscheidender, als möglichst gleichmäßige Watt über drei Stunden aufwärts zu fahren. Der Drop war bei mir auch schonmal schlimmer und weil immer alle von euch fragen, was ich den da so treten müsste, hier kommt mal eine Zahl, gemessen mit einem SRM, die ich für offizielle 44,95 km/h gebraucht habe: 292. Dieses und letztes Jahr war ich mit Herrn Teutenberg zweimal in Büttgen und auch wenn wir da mehr oder weniger auf der Stelle getreten sind, ist das ein Ergebnis, mit dem ich bei meiner Größe und Gewicht leben kann. Wobei mehr physisch mögliche Watt natürlich immer gern genommen werden. Das ist dann auch schonmal ein Ziel für 2024, geht das bitte? 7. Embrace the suck. Vor allem in der letzten Runde geht es hier ans Eingemachte. Alle sehen aus wie stehend KO und wer hier noch abliefert, der sackt meist den Sieg ein. Unverzichtbar für mich auf solche Distanzen ist Gurkenwasser, für das ich vor ein paar Jahren noch überall ausgelacht wurde. Heute empfiehlt das jeder große und kleine Experte und ich kann nur sagen, dass es bombig funktioniert. Im Sitzen war die gleichmäßige Belastung noch möglich, der Antritt hinter der Kurve und alles, was mit Aufstehen zu tun hatte, war muskulär verheerend. Dem kann ich immer prima mit einem Schluck aus der kleinen Flasche im Einteiler entgegensteuern, dann ist der Reiz im Mund erstmal stärker und der im Bein sagen wir mal erträglich. 8. Zielgerade bitte all out, also relativ. Die letzten paar Kilometer kam der Wind nochmal voll von hinten, so recht aufdrehen war aber gar nicht mehr drin. Stellenweise steht in der Wattkurve da jetzt noch eine 4 vorne, der Ofen war aber komplett aus. Direkt nach der Lap-Taste am Garmin stand ich einmal auf und dann war es das auch mit meinen Beinen. Oben, unten, links und rechts sowie vorne und hinten war ein einziger Krampf, ans Anhalten und Ausklicken war ein paar hundert Meter nicht zu denken. Außerhalb der Sichtweite vom Ziel lag ich dann erstmal ein paar Minuten in Embryonalhaltung im Gras und habe die Halme im Wind bewundert. In der Summe war ich da so schnell wie noch nie, die 45 km/h sind es ganz knapp, aber wieder nicht gewesen. Zum Ergebnis geht es hier. Eine spezifische Vorbereitung entfiel dieses Jahr übrigens, weil das Rennen erst knapp zwei Wochen vorher feststand und da war ich schon voll im KOTL-Tunnel. Wenn das drin gewesen wäre, hätte ich noch ein paar längere Einheiten auf dem TT-Bike gefahren samt mehreren 20-Minütern unter Rennleistung und mit bewusster Druckbetankung, damit sich der Magen dran gewöhnt. So gab es das dieses Jahr genau einmal.
Nächstes Jahr soll es laut Corniel vom MTR-Team die Ausschreibung deutlich früher geben, bitte kommt dann alle, denn auch in den Niederlanden haben die Veranstalter mit sinkenden Starterfeldern, höheren Gebühren und weniger Helfern zu kämpfen. Und wenn keiner mehr kommt, sondern alle nur mosern, es gäbe keine Wettkämpfe mehr, dann gibt es die bald wirklich nicht mehr. So, war es das? Mit dem September ja, im Oktober habe ich mich nochmal hinreißen lassen zu dem Ding von Hamburg nach Berlin, das sind dann doppelt so viele Kilometer, aber es hat sich auch eine ganz illustre Truppe gefunden für den Ritt, das wird nämlich ein Teamzeitfahren, allerdings mit Rennlenker. 280 Kilometer im Oktober klingt nach Schnapsidee? Count me in. #timetrialtuesday #timetrial #zeitfahren #fratzengeballer #derbaranskishop #zeitfahrhacks #cyclingpics #monstertijdrit 评论已被关闭。
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Hier geht es um Sport an der frischen Luft! Dabei ist mindestens ein Fahrrad involviert und manchmal geht auch was kaputt. Sei es an Mann oder Maschine.
Da ich im Norden lebe, ist es zehn Monate im Jahr kalt und nass . Die Radfahrerbräune bleibt dabei auf der Strecke. Dafür klebt der Dreck überall und die Rotze gern mal quer. Was mir dabei durch den Kopf geht oder auf der Strecke bleibt, findet ihr hier bei mir im Blog #fratzengeballer. Also, welcome to the real world! Der Baranski Archiv
September 2024
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