So, das war sie jetzt schon wieder, die 2021er Saison. Hoffentlich die letzte mit irgendwelchen Corona-Auswirkungen. Weil es so schön passte, war ich am Wochenende kurzfristig noch beim Monsterzeitfahren in Almere am Start. In der Summe war das mein viertes Mal da vor Ort und auch wenn es sich zwischendurch immer ganz ganz übel anfühlt, schneide ich da meist gar nicht so schlecht ab. Konkret für Sonntag: Da war nur einer schneller, dafür allerdings um Welten. Wer noch nichts davon gehört hat: das monstertijdrit.nl ist bereits zum 35. Mal ausgetragen worden und war mal eine (Schnaps-?) Idee von Studenten aus Almere, einer potthässlichen Retortenstadt vor Amsterdam. Mittlerweile geht es auf vier Runden mit vier Geraden über 137 Kilometer im Wesentlichen immer geradeaus durch das Nichts, mal abgesehen von jedem Jahr mehr Windrädern, ein paar Kühen, den Geruch einer Hanfplantage und gegen den Wind. In der Summe zieht dieser Ritt Ende September immer gute hundert Zeitfahrenthusiasten an. Leute, die da selbst nie antanzen meinen ob der langen Distanz oft, dass sei nur was für einen Haufen Spinner. Jedem das Seine. Mehr Laborbedingungen gibt es was Aero-Position und Co. angeht nirgends und durch die lange Distanz, das zeitfahruntypische Problem der Verpflegung und den gen Ende hin immer stärker werdenden Wind verspricht das immer auch ein ziemliches Fratzengeballer. Und da darf ich halt nicht fehlen. Danke an dieser Stelle mal an Oliver Bergmann, der mir den Floh vor Jahren mal ins Ohr gesetzt hat, dass das da vor Ort ganz geil sei. Er ist Sonntag nachher übrigens noch trainieren gefahren. Anders als die letzten Jahre hatte ich mich aber nicht mehr groß auf den MTR vorbereitet, normalerweise fahre ich dafür noch ein paar extensivere Einheiten mit massig 20-Minütern im G2-Bereich, in dem ich solche Distanzen im angepassten Renntempo fahre und "Zuckerwasser" bis zum Abwinken in mich reinkippe, um den Magen zu trainieren. Dieses Jahr hatte ich mich spontan noch die Woche vorher angemeldet und fuhr das mehr oder weniger aus der kalten Hose, wobei ich wusste, dass zumindest die klassische TT-Form ganz gut war. Los ging es dann recht zügig und extrem tief und ins Cockpit gekauert, die Runden eins und zwei von vier waren mit die schnellsten, die ich da bisher überhaupt hingelegt habe. Dass es zum Ende eklig wird, war ja eh klar und dass der Wind drehen und stärker werden würde auch. Soll heißen, ich habe am Anfang was rausgeholt, was ich am Ende eh nicht hätte drauflegen können, so als Schippe. So kam es dann auch. Runde drei war noch ganz passabel und mit Runde vier ging das große Sterben los. Übersetzt heißt das bei mir immer zuckende Unterlippe, alles nicht mehr ganz so konsequent aero und mehr als einmal rollenlassen und mit mir selbst hadern, statt Zug auf der Kette zu halten. Das ist da ein Stück weiter aber normal, es sei denn, man heißt Christoph Strasser, dann fährt man die vierte Runde mit dem meisten Dampf – und hackt oben ohne das Brennholz für halb Graz. Ohne Axt. Letztes Jahr war mit Boris Stein ja ein weiterer Kandidat aus dem Bezahlsport am Start und so richtig viel Spaß hatte der Bolzer aus dem Westerwald auf der vierten Runde glaube ich auch nicht. Bei mir hatte das die Konsequenz, dass die Wattnadel jetzt eher unter als über 300 stand und ich mich mal gar nicht auf die letzte lange Gerade gefreut habe, bei der der Wind jetzt voll von vorne kam, nachdem man da vorher noch ganz gut segeln konnte. Das klappt nämlich wirklich, danke dafür, lieber Wolfi! Kurz bevor ich da reindrehte, erspähte ich noch einen Fahrer am Horizont, den ich mir als letztes Ziel des Tages markierte. Dass es für ganz vorne nicht reichen würde, wusste ich da schon, der spätere Sieger hatte mich nämlich in der dritten Runde schon eingeholt und doof stehen lassen, so ähnlich wie der Straps letzte Woche beim KOTL. Aber den vor mir wollte ich noch einsacken. Und damit ging der härteste Part des Tages los. Offenbar war der nämlich auch schon so auf, dass er sich dauernd umdrehte – das sollte man nie tun. Erst sah das nach leichter Beute aus, was er aber nicht sehen konnte: Jedes Mal, wenn er dann im Wiegetritt (!) wieder nach vorn guckte, musste ich auch aufstehen, rollen lassen und mich dehnen, weil auch ich total im Eimer war. Aerodynamisch ist das totaler Mist, vor allem bei Wind voll von vorne. Von außen muss das ein wenig ausgesehen haben wie zwei Boxer, die beide stehend k.o. sind. Lange Rede kurzer Sinn: Wir haben uns beide bis zum Ziel nichts mehr geschenkt, ich habe ihn nicht mehr bekommen und war die letzten zehn Minuten kurz vor Krampf unterwegs. Danke für das Gegenhalten, lieber Herr Gisart! Im Ziel musste ich mich dann deutlich länger als sonst erstmal sortieren. So froh, dass ein Rennen endlich vorbei ist, war ich seit einem Jahr nicht mehr, genauer seit dem MTR 2020 . Gewonnen mit Ansage hat Brian Megens und zwar in neuem Streckenrekord, trotz Platten im Zielanflug. Das ist umso bemerkenswerter, als dass er sich wohl mit einem 46r Schnitt dort angekündigt hatte und wenn ich das richtig mitbekommen habe, nach der Hälfte bei der Zieldurchfahrt was rief von „ach nee, ich fahre doch einen 48er“. Und weil die Typen, die da die letzten Jahre immer vorne waren, entweder Profis waren (Strasser und Stein) oder wie Remco Grasmann eine Koryphäe, der jahrelang in Benelux alles zu Brei gefahren hat. Normal macht er wohl sowas wie eine Kaffeeklappe für Radfahrer, also mal ganz was Neues. Na ja, auf das Bild mit ihm und der Siegerin bei den Frauen Julie Sap durfte ich dann mit drauf, ich bin nämlich (wieder) Zweiter geworden. Von der eher rudimentären Siegerehrung wurden dieses Jahr übrigens so viele Leute überrascht wie noch nie, etwa auch dat Lisa Brömmel, die ist nämlich auch Zweite geworden. Brömmel und Baranski, beide auf Platz 2, ein rein deutsches B-Podium sozusagen. Danke ein weiteres Mal an die Truppe rund um Corniel, der das alles organisiert und an Bauke Wagenmakers, der dieses Jahr meine Grimassen für die Nachwelt festhält.
Euch allen einen schönen Winter, mit Glück sehen wir uns nochmal für eine Saison Nachschlag in 2022. Wer jetzt schon zu viel Zeit oder Sehnsucht hat, der kann hier in die Ergebnisse und – ganz interessant – das Raussterben über die einzelnen Runden einsteigen. Etwa was passiert, wenn man auf der ersten Runde noch Zweiter ist und dann nach hinten durchgereicht wird auf Platz 24 in Runde vier. Sprich so schlecht war mein Pacing dann doch nicht, Obwohl mehr geht da immer. |
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Da ich im Norden lebe, ist es zehn Monate im Jahr kalt und nass . Die Radfahrerbräune bleibt dabei auf der Strecke. Dafür klebt der Dreck überall und die Rotze gern mal quer. Was mir dabei durch den Kopf geht oder auf der Strecke bleibt, findet ihr hier bei mir im Blog #fratzengeballer. Also, welcome to the real world! Der Baranski Archiv
September 2024
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