Kürzlich gab es einen spontanen Trip nach Mallorca zum Trainieren und Arbeiten. Dienstag bin ich in der Mittagspause fast erfroren und man musste mich vom Rad heben, Freitag war ich dann am Ballermann. Außerdem trifft man da spontan immer zig Kunden, Promis, Profis sowie Industrie- und Szene-Gamechanger. Man muss bloß morgens losfahren und entsprechend knallig gebrandet sein für entsprechendes Networking. So wie ich. Nach fast zwanzig Jahren hatte ich mich tatsächlich mal wieder in Arenal eingemietet. Schöner ist es da nicht gerade geworden. Aber ein Kumpel nimmt vor Ort schon seinen zweiten Anlauf, um für eine Auswanderer-Doku entdeckt zu werden und wohnt mit seiner Familie da in der Nähe. Kleiner Tipp: Versuch es doch auch mal per Jogginghose beim Eroski, ich wurde an der Kasse jedes Mal von einer Casting-Tante mit Kölner Akzent angesprochen, ob ich Bock auf eine Reality-Soap hätte. Ich war ja aber zum Radfahren da und das geht traditionell immer so: Einen Tag den Puig von rechts hoch, am nächsten dann von links, dann über Andratx in die Berge und dann nochmal schön so richtig nass werden auf der verlängerten Leuchtturmrunde Richtung Nordnordost. Also alles wie geplant, inklusive der Apfelblüte oder sowas. Fast. Denn was hier fehlt, ist der erste Tag. Der ging komplett in die Hose und hier wird es jetzt für alle spannend bis lehrreich und gerade wer sich gern über mich lustig macht, der liest jetzt auch weiter. Tag eins habe ich nämlich total in den mallorquinischen Sand gesetzt und vergeigt, weil das Rad was hatte, das mich komplett am Fahren hinderte. Vorab: Ich fliege immer mit eigenem Bock. Beim Gedanken an Mieträder bekomme ich Gänsehaut. Dazu habe ich zwei Hartschalenkoffer, die mich seit Mitte der 1990er gut begleiten. Kurzer aber nötiger Exkurs: Von allem Richtung Softtasche kann ich eher abraten und vom Modell Scicon Aerocomfort muss ich zu 110 Prozent warnen, da ist ein Schaden bis hin zu Lenker- und Rahmenbruch vorprogrammiert. Die Tasche hatte ich zweimal im Einsatz, beide Male noch mit reparablen Schäden, danach wanderte er weiter an zwei junge Männer, die nicht hören wollten und dann den Salat hatten. O-Ton der Liaison von Cervélo vor ein paar Jahren: Profis, die damit fliegen und dann schnell Ersatz brauchen, bekommen nichts mehr, weil das Ding so schlecht ist. Ich vermute, der Hersteller wird sagen, das Problem sei ihm so nicht bekannt. Klassiker. Also: Die Hülle ist bei meinem Koffer eine Eins und damit auch drinnen nichts verbiegt oder sonst wie Schaden nimmt, nehme ich das Schaltauge immer raus. Bei meinem aktuellen Renner von Scott, dem Addict RC sind das zwei kleine Schrauben plus Steckachse und gut ist. Das wird dann samt Schaltwerk (schonmal Obacht, es geht um die neue Di2!) gut eingewickelt und alles ist safe. Übrig bleibt ein nackter Hinterbau mit großer Öffnung, wo nichts mehr kaputtgehen kann. Allerdings hat die 12-fach Di2 nochmal wieder dünnere Kabel als der Vorgänger und das Kabel zum Schaltwerk war dann weg, verschollen tief drinnen im Monocoque. Bisher war das nie ein Problem und deshalb hatte ich das anders als schon seit Jahren das aus dem Sattelrohr ragende Ende nicht extra festgeklebt. Ein Streifen Klebeband auf dem Hinweg wäre hier ein Tag mehr auf dem Rad gewesen. Der Kenner elektronischer Schaltung weiß: Ohne das Kabel geht an dem Rad gar nichts. Die Lösung ist so brachial wie einfach. Man muss das Tretlagergehäuse rausschlagen, dazu vorher die Kurbel abnehmen und dann alles per magnetischer Führung neu verlegen. Und dann das Pressfit-Lager neu einpressen. Das habe ich schon oft gemacht und das ganze Werkzeug habe ich seit Jahren. Zu Hause in der Werkstatt. Nach der Siesta ging es also Freitagnachmittag auf die Pirsch und fündig wurde ich dann bei Sport Bequi oberhalb von Arenal. Da wurde kurzer Prozess gemacht und alles ausgebaut und neu verlegt. Nervös wurden erst die beiden Schrauber und dann auch ganz schnell ich, als es hieß, die Tretlagerachse gehe nicht wieder rein, weil die beiden Lagerschalen schief eingepresst wurden. Ich hatte die Schalen an dem Rad schon mehrfach raus (ganz andere lange Story mit vielen Powermeter- und Innenlagermarken, die alle nicht hielten und auf der Strecke blieben) und wusste, woran das lag: Die hydraulische Bremsleitung läuft im Innenlagerbereich samt Überzieher unter der Kartusche durch und drückt die Führungshülse von unten immer hoch. Also nochmal raus und plan wieder rein. Hinterm Werkstatttresen und mit dicken Adern am Hals der Kunde, der immer alles besser weiß: Ich. Nachdem alles wieder montiert war, ging die Schaltung nicht mehr. Ich müsse wohl die Shimano-App neu programmieren. Der Grund war aber der neue Akku von Shimano. Dort gibt es drei Steckplätze und wenn der mittige nicht mit dem Schaltwerk verbunden ist, geht da nichts. Ich hatte damit ja schon im letzten Jahr viel rumexperimentiert, unter anderem als ich für die triathlon mal eine 11-fach auf 12-fach TT-Schaltung „aufgebohrt“ hatte. Vieles damals lief nur per Workaround und dass man da auf den Steckplatz achten muss, sollte man wissen. Die Schulung der spanischen Händler auf die neuen Gruppen ist aber erst diesen März (kein Witz). Auch wichtig zu wissen, weil das in der dritten Generation der Di2 alles so mickerig ist: Die Stecker der neuen EW-SD300er Kabel von Shimano bitte nicht per Hand raus und wieder rein frickeln, sondern nur mit dem speziellen Tool, das jetzt auch filigraner ist. Ohne massakriert man sonst ganz schnell den Stecker samt Steckplatz und das wird dann richtig teuer. Das Gegenteil von teuer war dann die Stunde von zwei Schraubern im spanische Rad-Laden, die nebenbei bemerkt auch alles haben stehen und liegen lassen, als ich da hektisch aufmarschiert bin. Schlappe 25 Euro hat das gekostet und drauf angesprochen meinte der Chef, er müsse eigentlich auf 29 Euro die Stunde erhöhen, aber das wolle er nicht und das sei auch schwer zu erzielen vor Ort. Soviel also zum Thema modernes Superbike auf Reisen. Der nächste Trip findet jetzt mit dem Gravel-Bike mit mechanischer Schaltung statt und geht nach Gran Canaria. Da reicht ein Kettenblatt und dickere Reifen sind Trumpf. Ach ja, damit passt das ganze Rad nicht mehr in den state-of-the-art-Koffer mit Laufradaufnahmen von Bike Box Alan, weil der auf Schnellspann- statt Steckachsnaben und maximal 28 Millimeter Reifen ausgelegt war. Der Plan sind aber mindestens 32er Schlappen und die gehen dann nur in das Iron Case von 1996, mit dem ich damals meine Weltreise beendet habe. Samt GT LTS MTB. In 26 Zoll. Mit Shimano V-Brakes. Danke an dieser Stelle noch an meine ganz persönliche Hotline bei Scott in der Schweiz (da erfreut sich immer der ganze Laden an sowas), Devid vom Verleih 54:11 in Arenal, dem Chef samt Chefschrauber von Sport Bequi in Arenal und Herrn Schwarzer vom MA13, der mich vorab durch die Untiefen der spanischen Rad-Läden navigierte. Muchas Gracias!
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Hier geht es um Sport an der frischen Luft! Dabei ist mindestens ein Fahrrad involviert und manchmal geht auch was kaputt. Sei es an Mann oder Maschine.
Da ich im Norden lebe, ist es zehn Monate im Jahr kalt und nass . Die Radfahrerbräune bleibt dabei auf der Strecke. Dafür klebt der Dreck überall und die Rotze gern mal quer. Was mir dabei durch den Kopf geht oder auf der Strecke bleibt, findet ihr hier bei mir im Blog #fratzengeballer. Also, welcome to the real world! Der Baranski Archiv
September 2024
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