Passend zur Off-Season gibt es heute mal wieder eine Folge von „Der Baranski meets“. Und weil bei vielen von euch jetzt über den Winter auch wieder die Tüftelphase anläuft, geht es dabei heute um einen ehemaligen Fahrer, der erst dadurch sein volles Potenzial aufs Pedal gebracht hat: Daniel Westmattelmann aus dem schönen Westfalen. So richtig getroffen haben wir uns eigentlich nur einmal und ich musste direkt mal nachgucken, wann das denn wohl der Fall war. Mit dem Juli 2014 liegt das schon eine ganze Weile zurück, damals waren wir beide bei einem Zeitfahren in Papenburg am Start. Das ist da, wo man prima entlang eines Deiches Fahrrad fahren kann. Und/oder ab und zu auch mal großen Schiffen von der Meyer Werft dabei zugucken, wie sie vom Stapel und in die große weite Welt auslaufen. Beides je nach Standpunkt eher merkwürdige Freizeitbeschäftigungen, wobei Herr Westmattelmann und ich damals zum Ballern vor Ort waren: elf Kilometer in eine Richtung, umdrehen, und wieder elf Kilometer zurück. Klingt jetzt nicht so spannend, gibt es da in der Form auch schon länger nicht mehr, war damals aus meiner Sicht aber plausibel als Formtest mit wenig Ablenkung. Ich war damals noch Masters 2, er war schon KT-Fahrer und einer der besseren deutschen Zeitfahrer aus dem Bezahlradsport. So ein Niveauunterschied innerhalb eines Starterfeldes bei einer Bezirksmeisterschaft Weser-Ems war auch damals selten, aber für mich sagen wir mal interessant und anreisenswert. Weil der Ausrichter das schon ganz richtig so eingeschätzt hatte, startete Daniel als Letzter – weil er wohl die schnellste Zeit hinlegen würde. Und konsequent sammelte er mich dann auch zügig ein und ließ mich doof stehen. Mit einem knappen 50er Schnitt. Am Ende trennten uns über 90 Sekunden auf 22 Kilometer und zwischen uns hatte sich noch der junge Lars Bartlau geschoben, der mir die Jahre auch gerne und kräftig um die Ohren fuhr. Interessant: ein paar Wochen vorher war Daniel auch bei der Deutschen am Start, und auf die Frage, wieviel er denn hinter Tony Martin lag, antwortete er was von „gut zwei Minuten“. Wer es genau wissen will, siehe hier . Damals wie heute gut zu wissen: man muss nur lange genug suchen, dann findet man immer wen, der noch schneller ist. Bevor das bei Daniel soweit war, musste der aber ordentlich an sich und vor allem seinem Rad rumschrauben. Wie so oft war nämlich die liebe Aerodynamik der limitierende Faktor auf den großen Motor, den er mit sich rumschleppte. Für alle E-Riders: hierbei geht es um den eingebauten beziehungsweise antrainierten und um nichts von Bosch mit Batterie. Es nützt nämlich alles nichts, auf dem Rad Kräfte wie ein Bär entfalten zu können, wenn man auch wie einer auf dem Rad sitzt. Und da setzte Daniel dann an, nachdem er gemerkt hatte, dass es beim Zeitfahren trotz körperlicher Topform nicht über das Mittelmaß hinaus ging, etwa 2011 als 17. bei der DM. Der Fokus lag dann erstmal intensiv auf dem Thema Aero-Test, unter anderem auf der Bahn in Büttgen und inspiriert durch Lars Teutenberg, sowas wie dem „Altmeister“ dafür im deutschsprachigen Raum. Lars war jahrelang die Benchmark im Gutsitzen und Daniel hat das dann mit seinen Buddies Sven Faber und Max Walscheid für sich perfektioniert. Unterstützt wurde er dabei von seinem Team, das mal was mit Kuota hieß und zum Ende dann Team Lotto-Kern Haus. Dabei heraus kamen dann sensationelle 80 Watt Verbesserung. Allerdings gemessen bei 50 km/h Reisegeschwindigkeit, die man auch auf der Bahn erstmal liefern muss. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass auch ein Tag bei 45er Schnitt ziemlich zwiebeln und schnell vorbei sein kann – je nach Form. Wenig erstaunlich: danach stellten sich dann auch die Ergebnisse in der Spezialdisziplin gegen die Uhr ein. Neben dem vierten Platz bei der DM 2014 oben war das der Sieg 2016 beim Klassiker in Frankreich, dem „Chrono Champenois – Trophée Européen“. Das hatte ein Jahr vorher übrigens ein gewisser Filippo Ganna gewonnen. Und nur mal so zur Einordnung noch ein paar Namen, die da auch schon mal ganz oben standen: Rohan Dennis, Luke Durbridge und Cameron Wurf. Anders als die Experten war es aber nie Daniels primäres Ziel, Radprofi zu werden und damit sein Lebensunterhalt zu bestreiten. Nebenher hat er nämlich BWL studiert und den Radsport dabei eher als gut bezahlten Studi-Job gesehen. Dass das die richtige Entscheidung war, zeigte sich dann 2017, als er beim Rennen „Cottbus-Görlitz-Cottbus“ einen schweren Sturz mit einem Motorrad und dabei noch Glück hatte, dass er jetzt nicht im Rollstuhl sitzt. Nach OP und Reha war es nämlich vorbei mit dem so richtig ambitioniert fahren, auch weil das Metall im Rücken sich nicht mit der Aero-Position verträgt. Als Konsequenz ging es dann an der Uni mit Vollgas weiter und als Ergebnis steht bisher der Doktortitel und eine Stelle als akademischer Rat am Lehrstuhl für BWL an der Uni Münster. Interessant in diesem Zusammenhang: Daniels Promotion zum Thema Doping, und zwar explizit nicht nur im Radsport, sondern sportartübergreifend, unter anderem inklusive der Leichtathletik. Hier hat er nämlich auf ein Modell gesetzt, das anhand von Variablen ermittelt, welchen Einfluss Anti-Doping Maßnahmen und Preisgeldverteilungen auf das Dopingverhalten haben. Hierzu wurde eine Population von 100 fiktiven Athleten mit Datenmaterial aus diversen Erhebungen gefüttert. Seine Ergebnisse decken sich mit der sonst auch immer mal kommunizierten Dunkelzifffer von rund 25% von WADA, NADA, usw.. Und siehe da, abschreckend sind in erster Linie häufigere Kontrollen, verbunden mit Langzeit-Proben. „Wenn ich mehr kontrolliere, dann dopen weniger“, so Westmattelmanns Folgerung. Auch wenig erstaunlich: je mehr Geld zu verdienen ist, umso wahrscheinlicher ist der Griff in den Giftschrank. Wer da mehr zu lesen möchte: hier gibt es noch einen interessanten Artikel . Auch auf seiner Agenda, um das mal von der wissenschaftlichen Seite anzugreifen: das Thema Virtual Cycling, dass ja speziell dieses Jahr einen wahren Boom hingelegt hat – mutmaßlich auch mit jeder Menge Kreativität, um besser als andere dazustehen, Stichwort frisiertes Gewicht um die anderen auf Zwift virtuell zu verblasen. Passend dazu bietet er mit ein paar Kollegen etwas an, um das Training auf dem Smarttrainer noch etwas realistischer zu gestalten: das Boom Board, das man einfach unter den Kickr, Neo oder wen auch immer packt, um dann ein realistischeres Fahrgefühl zu haben. Das Teil soll zudem beim Indoor-Training die radspezifische Tiefenmuskulatur trainieren. Klingt fies und wird demnächst mal ausprobiert! Auch wenn wir uns darin einig sind, dass nichts an das Fahren draußen an der frischen Luft und auf der Straße rankommt. Wer mehr über Daniel wissen möchte, dem sei hier geholfen, er hat es nämlich auch zu einem Wikipedia-Eintrag gebracht – das muss man auch erstmal schaffen. Oder man findet ihn ganz altbacken hier bei FB . copyright der Bilder: Familienalbum der Westmattelmänner, vielen Dank dafür! Kommentare sind geschlossen.
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Hier geht es um Sport an der frischen Luft! Dabei ist mindestens ein Fahrrad involviert und manchmal geht auch was kaputt. Sei es an Mann oder Maschine.
Da ich im Norden lebe, ist es zehn Monate im Jahr kalt und nass . Die Radfahrerbräune bleibt dabei auf der Strecke. Dafür klebt der Dreck überall und die Rotze gern mal quer. Was mir dabei durch den Kopf geht oder auf der Strecke bleibt, findet ihr hier bei mir im Blog #fratzengeballer. Also, welcome to the real world! Der Baranski Archiv
Januar 2025
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