Hier ist er jetzt endlich, der Blogbeitrag zur UCI-Masters-WM im Zeitfahren, ein bisschen länger. Holt euch besser einen Eiskaffee. Am Dienstag ging es also auf den Roadtrip nach Polen. In Posen war ab Donnerstag die Masters-WM von der UCI angesetzt. Wem das so nichts sagt, das ist der Radsportweltverband, analog der FIFA für´s Buffen. Gleich am ersten Tag waren dieses Jahr die Zeitfahrwettbewerbe augeschrieben, also meine Disziplin. Die WM findet dieses Jahr zwar in und um Posen statt, aber das Zeitfahren wurde eine Stunde außerhalb in Bednary ausgetragen. Start und Ziel waren auf einem Autorennkurs angekündigt. Klang nach flach und schnell, also erstmal gut. Nach einer ziemlich guten Vorbereitung in den letzten Wochen war ich ziemlich heiß auf das Ding. Und heiß sollte es auch am Renntag werden, so grobe 35 Grad waren angekündigt. Also noch ein Grund mehr für Vorfreude. Auf der Autobahn bekam ich dann aber kalte Füße, im wahrsten Sinne des Wortes. Und Halskratzen. Peng, ich hatte mir einen Sommerschnupfen aufgehalst. Was für ein Timing. Und alle, bei den ich mich dazu dann ausjammern wollte, meinten das Gleiche: „ja, ist ja immer so bei dir“. Schlimmer als eine Erkältung zur Unzeit ist nur noch, wenn man als Mann damit nicht ernst genommen wird. Und obendrauf war die Strecke vor Ort dann auch nicht gerade allererste Sahne um es mal diplomatisch auszudrücken. Die Bilder stammen alle vom Michael Kopf, der sich auch darüber freute, was uns Fahrern da zum Fraß hingeworden wurde: nämlich alter und frischer Schotter, Schlaglöcher und extrem schmale Straßen mit Gegenverkehr durch andere Fahrer. Auch schön bei hohem Tempo: Asphaltbeulen und eine Ölspur – in der Kurve, in die man mit Volkaracho reinkam. Kurzum: so einen Kurs würden sie uns in Deutschland bei keinem Hobbyzeitfahren vorsetzen. Und hier waren 500 Fahrer aus der ganzen Welt mit entsprechendem Aufwand extra dafür angereist. Am nächsten Tag waren Hals und Stimmung dann endgültig im Eimer und die Streckenbesichtigung schnell wieder vorbei. Ich war krank, inkl. Beinen wie aus Gummi. Eine richtige Vorbelastung gab es deshalb auch nicht mehr. Dafür massig Tee und Schweiß in Strömen, auch bei der Klimaanlage auf Vollgas. Die Idee war jetzt abzuwarten, wie es am Renntag morgens früh wäre und dann zu entscheiden wie und ob es weiter- oder direkt wieder nach Hause geht. Mein Start war gegen 14 Uhr angesetzt. Am Abend vorher ging es noch zum Anmelden und zum obligatorischen Vermessen der Räder. Immer wieder eins meiner Highlights: UCI-Ideen dazu, was man und das Rad darf und was nicht. Und das muss man der UCI lassen, auch wenn sie sich da sonst nicht mit Ruhm bekleckert: die Messlehren sind echt toll, die erinnern mich imer ein bisschen an die gute alte Guillotine. Und die Kommissäre von der UCI sind rigoros. Das führte bei einigen Experten dazu, dass sie vom technischen Service vor Ort noch ihre Lenker ablängen lassen mussten. Bei elektronischer Schaltung und Systemintegration oft ein Riesenakt, der gern mal Stunden in Anspruch nehmen kann. Am Rennmorgen war die Laune dann ganz unten. Ich fühlt mich wie ausgekotzt und war frustriert über den ganzen Aufwand und darüber, dass das hier alles nichts werden kann. Und um ein Haar hätte ich in den Sack gehauen und wäre abgereist, auf nimmer Wiedersehen UCI-Zeitfahren. Justament in diesem Moment kam ein kleines Engelchen via Whatssapp angeflogen, das mir einflüsterte es einfach zu versuchen und zu gucken was gehen würde. Vermutlich hatte es recht, als es meinte, ich würde mich sonst schwarz ärgern, wenn ich das nicht machen würde. Danke in dieser Stelle nochmal an den jungen Burschen aus dem Sauerland, der mir den Kopf damit wieder richtigrum aufgesetzt hat. Manchmal reicht als Coach ja auch das Auflegen eines feuchten Lappens. Ich finde die Idee von weichem Frottee mit STAPS-Logo immer besser, je mehr ich darüber nachdenke. Vielleicht was für eure Athleten zu Weihnachten? Ich dann also nichts wie hin zum Start, alles aufgebaut und das Rad vorbereitet und noch ein bisschen mehr Schwitzen. Immerhin gab es die versprochenen 35 Grad. Zwar jetzt ohne große Hoffnungen und Ambitionen, aber dann doch besserer Dinge als gestern und gespannt, was das wohl noch werden würde. Zuhause hätte ich an so einem Tag nicht mal locker trainiert, aber das hier war die WM und ich extra dafür ganz nach Polen gefahren. Nach relativ kurzem Aufwärmen half mir dann noch Kollege Filip Speybrouck aus Belgien beim Anziehen und beim Rückentapen. Dank u wel! So, und als ich dann endlich auf der Strecke war, da war plötzlich alles wie immer. Also wie immer beim Zeitfahren: der Hals brannte mit den Beinen um die Wette und alles fühlte sich extrem elend an. Aber von der Erkältung merkte ich nichts. Nach vier Kilometern habe ich einen Slowaken und einen Russen überholt, die 30 bzw. 60 Sekunden vor mir gestartet waren. Und tatsächloch lief anfangs alles fast wie geplant, auch wenn es ein paar Watt weniger auf der Uhr waren, als ich eigentlich vor ein paar Tagen anvisiert hatte. Der schlechte Kurs war dann im Renntempo auch halb so wild, es war halt keine Highspeedstrecke, aber da mussten ja alle durch. Das haben Sie übrigens aus der Ferne sehr richtig angemerkt, Herr Kresse! Einen kleinen Dämpfer gab es dann ab der Wende, weil auch wenn es danach erstmal wieder bergab ging, kam kein richtig hohes Tempo mehr bei raus. Ein Abfall ab der Wende war zwar eingeplant, aber so deutlich hatte ich das nicht vor. Ein bisschen war der Ofen dann also doch aus auf den letzten neun von 18 Kilometern. Die letzte Runde über den Acker von Rennkurs (auch Kategorie alt aber bezahlt) war noch ziemlich hart, weil man zum Großteil im Gegenwind fuhr. Im Ziel dann das übliche Hängen und Würgen und minutenlange Seitenlage im schicken weißen Nationaleinteiler. Aber ich hatte es geschafft: ich hatte das Ding trotz Widrigkeiten zuende gebracht. Körperlich war ich jetzt total auf, das sah sicher nicht gut aus die nächste halbe Stunde. Vom Schnitt war das kein 46er, aber vor dem Hintergrund, wie oft man da verzögern und wieder antreten musste und wie mies der Straßenbelag war, war bei mir nicht mehr drin. So, und als ich dann nach dem Ausfahren von der Rolle abgestiegen bin und am Auto rumhumpelte, kam Jörg Pacher vom Team Jenatec und gratulierte mit zum Vizweltmeistertitel. Und ganz ehrlich: da hätte ich mich wirklich geärgert, wenn ich den nicht mitgenommen hätte. Gewonnen hat ein Däne und auch wenn ich den Tag da in Topform am Start gewsen wäre: 41 Sekunden hätte ich auch dann nicht rausholen können und anders hätte des Ergebnis dann auch nicht ausgesehen. Also Glückwunsch an Anders Moustgaard aus Kopenhagen. Der kommt ursprünglich vom Rudern und trainiert laut eigener Aussage so: morgens 15 Kilometer mit dem Rad hart zur Arbeit und abends wieder 15 Kilometer hart zurück. Klingt stimmig. Dritter wurde William Tournes aus Frankreich. Duschen gab es da auf dem Gelände der Bednary Driving City übrigens keine. Also eigentlich schon, da war nämlich auch ein Hotel angeschlossen, aber „die können wir ja nicht für euch alle öffnen“, so die Aussage vor Ort. Wie gesagt: 500 Starter aus der ganzen Welt kommen exta dafür angereist, jeder zahlt 50 Euro und es sind 35 Grad. Bilder von mir auf der Strecke habe ich leider auch keine. Aber dafür vom Duschersatz. Der Rest der Veranstaltung ist schnell erzählt: die Siegerehrung fand wieder in Posen auf dem Messegelände statt, also wieder eine Stunde über Großpolens Landstraßen gepoltert. Geehrt wurde vor gefühlt 50, maximal 100 Leuten. Weil man da nochmal in Nationalfarben antanzen muss, habe ich mich kurz in einem Catering-Zelt umgezogen. Die ältere Dame aus Frankreich, die sich dazugesellte und für meinem Schnitt interessierte, war – wie ich im Nachhinein gesehen habe – Jeannie Longo. Die fährt ja auch schon etwas länger Fahrrad. Also genaugenommen und laut Wikipedia ist sie die erfolgreichste Radsportlerin aller Zeiten. Danach ging es dann ohne Jeannie noch in eine eine kleine Craft Beer Bar auf zwei IPA und dann waren die Augen auch ganz schnell zu. Ach so: die Erkältung habe ich wirklich immer noch. Will nur weiter niemand hören. Fazit: Zur UCI-WM fahre ich nicht noch einmal. Der Aufwand steht einfach in keinem Verhältnis zum Paket vor Ort. Nach Albi vor zwei Jahren war das hier sportlich zwar wieder hochklassig, aber das ganze Drumherum ist einfach eine Gurkenveranstaltung. So ein bisschen habe ich auch das Gefühl, dass die Idee hinter der Granfondo Serie weltweit nicht zündet. Wieviele Sportler reisen nächstes Jahr für sowas wohl nach Whistler in Kanada mit zwei Rädern samt Equipment? Parallel findet in Sankt Johann in Tirol ja auch immer noch sowas wie die Alternativ-WM der örtlichen Tourismusbehörde statt. Da weiß man auf jeden Fall, was man geboten bekommt und abends ist ordentlich Stimmung bei der Siegerehrung. Blöd: durch diese Terminüberschneidung hat man nie alle guten Leute auf einer Veranstaltung zusammen. Aber wir sehen uns ja alle in Topform am 21. September beim „King of the Lake“-Zeitfahren am Attersee. Da können sich die Herren von der UCI übrigens gern mal angucken, wie man das richtig aufzieht. Und zum zigsten Mal: der Kopf und das man den im entscheidenden Moment auch richtigrum aufhat, sind das Allerwichtigste beim Zeitfahren. Siegen ist halt Kopfsache. Auch wenn das manchmal dann nur zum zweiten Platz reicht. Der reicht mir heute aber auch. Nächster Trip: Montag geht es nach Friedrichshafen auf die Eurobike, mal überall „Hallo“ sagen. Übrigens, weil das hier manchmal so rüberkommen mag, als sei ich immer nur auf Achse: am liebsten bin ich eigentlich zuhause. Kommentare sind geschlossen.
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Da ich im Norden lebe, ist es zehn Monate im Jahr kalt und nass . Die Radfahrerbräune bleibt dabei auf der Strecke. Dafür klebt der Dreck überall und die Rotze gern mal quer. Was mir dabei durch den Kopf geht oder auf der Strecke bleibt, findet ihr hier bei mir im Blog #fratzengeballer. Also, welcome to the real world! Der Baranski Archiv
Januar 2025
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